Urzeitkrebse

Frau im Spiegel (der Wissenschaft)

Dröger, theoretischer Stuff und roher Zahlensalat. Dann das ganze Theater um Überprüfbarkeit und Gültigkeit, der ganze Bullshit mit dem genauen Nachdenken und so: wen interessiert das eigentlich? Niemanden!

Und genau deshalb, weil es niemanden interessiert, gelangen wissenschaftliche Studien normalerweise eher selten in die Nachrichten. Es sei denn, die wissenschaftiche Studie ist gar keine wissenschaftliche Studie, sondern nur scheinbar eine wissenschaftliche Studie, gewissermaßen eine „wissenschaftliche Studie“ honoris causa, da sie zwar keine methodischen Standards erfüllt, wohl aber edelster Intention frommt und die eherne Wahrheit des Zeitgeistes bestätigt. Oder weil sie sehr viel Steuergeld gekostet hat. Dann freilich kann eine „Studie“ es durchaus in die Nachrichten schaffen. Dann kann aus  einer „Studie“ auch schon mal  eine ausgewachsene Info-Kampagne werden. Unlängst so geschehen.

Da veröffentlichte nämlich die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ihren Bericht über Gewalt gegen Frauen und es war  beinahe unmöglich nicht über diesen erkenntnisspendenden Bericht informiert zu werden. Spiegel, Tagesschau, Süddeutsche, Die Zeit: medienweit war plötzlich Aufklärung Trumpf. Ich vermute, der FRA- Bericht war sogar dem Kicker eine Schlagzeile wert. Überprüft habe ich das nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.

Dabei ist die mediale Beachtung, die dieses Highlight der qualitativen Sozialforschung (30-40 minütige Vier-Augen Interviews von Frau zu Frau) erfahren hat, von der Sache nicht erklärbar. Denn die Studie bestätigt ja nur, was sie unverrückbar voraussetzt und was wir alle ja schon längst wissen: Frauen sind Opfer und Männer Schweine.

Wäre die Studie in Hinblick auf ihre Prämissen weniger festgelegt gewesen – undenkbar, welche methodischen Probleme man sich dann eingebrockt hätte! Dann hätte man ja – Grundgütiger! – womöglich sogar Männer befragen müssen, ob auch sie Opfer häuslicher oder gar sexueller Gewalt jemals geworden sind! Im schlimmsten Fall hätte man dann womöglich relevante Vergleichsgrößen ermittelt! Und wie hätte man überhaupt die Aussagen männlicher Probanden filtern sollen, sodass sie nicht versehentlich mit den Tatsachenaussagen der Frauen verwechselt worden wären? Diese Statistik wäre dann wahrscheinlich nur schwer zu fälschen gewesen, ohne der höheren, überpositiven Wahrheit der Studie ihren Glanz zu stehlen.

Interessant sind nicht die vorhersehbaren Ergebnisse, sondern einige Teilergebnisse. Und noch interessanter ist, wie die Intelligenzbolzen von der FRA diese interpretieren:

gewalt-gegen-frauen

Kann das sein? Kann es wirklich sein, dass ausgerechnet in jenen Ländern, in denen der Feminismus Staatsräson ist, Frauen deutlich häufiger familiärer und sexueller Gewalt ausgesetzt sind als in den klassischen Macho-Nation Italien, Spanien und Griechenland? Damit niemand vorschnell falsche Rückschlüsse zieht, erklären die FRA-Experten, dass die Zahlen, die sie selber mit großem Aufwand erhoben haben, natürlich täuschen. Zahlen sind nur Zahlen, die müsse man nicht wortwörtlich nehmen, die stünden nämlich in einem Zusammenhang, einem kulturellen!

Demnach vermögen Italienerinnen, Spanierinnen und Griechinnen ihre Erfahrungen von Gewalt nicht frei zu verbalisieren, aus Scham nicht und weil sie sich immer noch einem patriarchal verfügtem Tabu beugen. Da redet frau nicht gerne drüber. Sie sind, der FRA-Interpretation zufolge, eher bereit Gewalt und Rolle als naturgegeben zu akzeptieren. Mit anderen Worten: den Südländerinnen mangelt es erheblich an feministisch-geschultem Opferbewusstsein! Was einem die schönste Statistik verderben kann!

Die Konsquenzen, die die FRA aus ihrem Zahlensalat zieht, ist von einer ganz besonderen logischen Akrobatik: Man fordert europaweit genau die Maßnahmen umzusetzen, die in Skandinavien ja schon weitgehend umgesetzt worden sind, also eben dort, wo die Lage der Frauen der eigenen Studie gemäß am schlechtesten ist. Lest es nach, es ist wirklich wahr.

Ich verstehe das nicht. Ich bin ein einfacher Blogger, der sich am liebsten mit seinen Urzeitkrebsen beschäftigt und der gerne leckere Pasta isst. Ich versteh’s wirklich nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Leute die so grundverschieden Dinge wie eine als unangemessen offensiv empfunde Einladung zu einem Rendezvous und Vergewaltigung unter ein und demselben Begriff (!) subsumieren, wenig Interesse daran haben können, das Problem Gewalt zu erfassen. Ich finde, dass Leute, die entgegen aller emprischen Befunde, Gewalt unbeirrbar als ein geschlechtsspezifisches Phänomen darstellen, wenig Interesse daran haben können. die tatsächlichen Probleme zu lösen. Und schließlich scheint mir, dass die von der  Agentur der Europäischen Union für Grundrechte wahrscheinlich einfach nur einen an der Klatsche haben.

 

PS. Trotzdem bin ich von den Schweden und den Finnen schwer enttäuscht. Vielleicht liegt’s aber auch nur an den langen Wintern dort.

 

Urzeitkrebse

Nach langem Zögern habe ich eben einen Finger in die Schale  mit den Urzeitkrebsen gesteckt (aus meiner Weinkaraffe wurden sie mittlerweile ausquartiert). Die Viehcher sind ungefähr einen halben Zentimeter groß und schwimmen ziemlich aggro im Zickzack. Sie haben mich aber nicht angegriffen. Scheinen charakterlich also okay zu sein.

In einer Woche werde ich das Experiment wiederholen. No risk, no fun!