15-jähriger Sohn: Ham wir irgendwo Kabelbinder im Haus?
Halbmast: Kabelbinder? Brauchst du zufällig auch noch einen Knebel?
15-jähriger Sohn: Wenn du mir gleich mit dem Maibaum hilfst, lache ich auch über deine famosen Witze!
Halbmast: Deal!
15-jähriger Sohn: Ham wir irgendwo Kabelbinder im Haus?
Halbmast: Kabelbinder? Brauchst du zufällig auch noch einen Knebel?
15-jähriger Sohn: Wenn du mir gleich mit dem Maibaum hilfst, lache ich auch über deine famosen Witze!
Halbmast: Deal!
Ein Taunus GXL ist kein Wagen für den irgendwelche Regeln gelten, schon gar nicht für einen knallgrünen. Das Ding steht im Parkverbot, weil es da hingehört , und wird mit seinem Insassen von Jonny Guitar Watson durchgeschüttelt. Qualm steigt aus den Seitenfenstern.
Dadada da da daaah da.
Dadada da da dapp!
Rene Pingen kommt quer über den Ring gelaufen, reißt die Autotür auf, plumst in den Sitz, knallt die Autotür zu. Hängt sich mit beiden Händen an den Lenker.
Oh, it’s a real motha for yaaa…
Stellt den Kassettenspieler aus. Marcel, der auf dem Beifahrersitz sitzt, verzichtet auf Protest. Wenn sein Bruder schlechte Laune hat – und die hat er gerade! -, dann sind Provokationen wenig ratsam. Marcel hat da so seine Erfahrungen gemacht in den letzten drei Jahrzehnten.
„2000! Für so’nen Job! 2000! Der will mich verarschen! Krrwh.“ Mit schönem Gruß vom Nasengetriebe. Verächtlicher schnarzten Polypen nie.
„2000?“ fragt Marcel und zündet sich eine Eckstein an.
„Hörst du schwer, oder was?“
„2ooo? Für was für’n Job denn, Rene?“
Aber Rene starrt nur aus der Frontscheibe. Guckt als hätte er den Glauben an die Menschheit verloren.
„In was für einer Welt leben wir eigentlich? In waahs für einer Welt? Kannst du mir das einmal verraten?“
„He, Rene, für was’n Job soll’s 2000 geben?“
„Tjaa…tja. Da wirst du staunen, Kleiner, ordentlich staunen…“
Pingen lässt den Motor an und schert zeitgleich auf den verdammten Ring aus. Hinter ihm quitschen Reifen, irgendein Kack-Benz, irgendein Hempel drin.
„He, komm! Mach’s nicht so spannend!“
„Eigentlich biste noch viel zu klein für solche Geschichten. Ich hab geschworen, auf dich aufzupassen…“
„Hähä, junger Bruder und so – sehr lustig! Also erzähl ma, du Arschgesicht!“
„Tja. Also dieser feine Dr. Schmitz, dieser blöde Wichser, der ist verheiratet. Verheiratet sind solche Typen nämlich immer, is irgenswie eine fixe Idee in Wichserkreisen. Heirat is anscheinend ein Muss für die, naja.“
„Ich kapier diese Heiraterei sowieso nicht. Steht nix in der Bibel von drin, sag‘ ich mal.“
„Und nach sechs Jahren Heirat…“
„Wie, nach sechs Jahren Heirat?“
„Mein Gott, dann eben nach sechs Jahren Ehe! Ehe. Zufrieden? Also nach sechs Jahren Ehe fällt ihm auf, dass so eine Ehe ja eigentlich richtig Scheiße ist!“
„Rene, das kann man ihm doch nicht vorwerfen!“
„Und seine Frau ist nach sechs Jahren Ehe mit Dr. Wichsgesicht mit den Nerven völlig am Ende. Was ja auch nicht erstaunlich ist. Also schluckt die jetzt irgendwelche Psychopillen, die aber nicht viel helfen. Und der feine Dr. Schmitz ist es daraufhin endgültig leid. Kann die ewige Trauervisage von Frau Dr. Schmitz partout nicht mehr sehen…“
„Soll ich mich da jetzt reindenken, Rene? Oder was?“
„Nein, du sollst einfach nur zuhören. Wenn überhaupt. Und vor allem sollst du dir deine neunmalklugen Kommentare verkneifen.“
„Ich sach nix mehr. Erzähl ma weiter.“
„Also der Kerl hat die Schnauze von seiner Frau Gemahlin voll. Da läuft nichts mehr, die kostet ihn nur noch Geld und Nerven. Und rein zufällig findet unser Dr. Wichsgesicht heraus, dass die sich jetzt auch noch von ihm scheiden lassen will. Und das verletzt seinen Stolz natürlich ganz ungemein. Abgesehen davon, dass eine Scheidung richtig teuer werden könnte…“
„Und das hat er dir alles erzählt?“
„Ne, der wollte mir gar nichts erzählen. Der hat gelabert und gelabert wie Rainer Barzel und nix gesagt. Ne, dem musste ich alles aus der Nase ziehen. Auf die indirekte Tour, weist du.“
„Ha, ha!“
„Und ich glaub‘ auch nicht, dass der Drecksack wirklich Dr. Schmitz heißt.“
„Natürlich nicht, Rene! Niemand heißt Dr. Schmitz. Das ist ein Alibi, kannste deinen Arsch für verwetten!“
„So etwas nennt man Inkognito, du Leuchte…“
Sie stehen bei Rot an der Ampel. In diesem Augenblick biegt ein brauner Range Rover auf den Ring.
„Ja leck mich doch am Arsch!“ brüllt Pingen auf. „Da fährt doch dieses Wichsgesicht vorbei. Da vorne in der Kiste!“
„Worauf wartest du noch?“ fragt Marcel. „Fahr ihm nach!“
Die Ampel zeigt immer noch Rot. Aber wenn man sich immer im Leben an Regeln hält, kommt man zu gar nichts. Die Lücke ist da, der Fuß am Gaspedal. Und wer ist der Großmeister günstiger Gelegenheit? Rene Pingen! Eben. Pingen brettert los. Mal schauen, wo der feine Herr hinfährt.
„Guck genau, Marcel! Guck genau hin! Dieser Typ da vorne im Rover, dieser Typ mit der Fönfrisur, der bietet mir 2000 D-Mark dafür, seine Alte zu erledigen. Verstehst du jetzt, worum es geht?“
„Hab ich mir schon gedacht, Rene. Bin ja nicht blöde!“
„Der hat hat mir ein Photo von der gezeigt.“
„Und?“
„Zum Flachlegen!“
„2000 sind echt ein Witz, Rene. Du sollst seine Frau abmurksen und der will dir dafür 2 Mille zahlen? Das ist Verarsche.“
„Genau so sehe ich das auch. Ganz genau so seh‘ ich das auch!“
„Ein Wichser ist das !“
„Für 2000 kriegste gerade mal 200 Gramm oder so!“
„Du sagst es.“
Sie folgen der vierrädrigen Geschmacklosigkeit die Luxemburger runter. Brauchen ein Weilchen, ihre Empörung wegzuqualmen.
„Rene?“
„Was ist?“
„Du weißt, dass Gott verboten hat zu töten?“
„Hör mir mit dem Scheiß auf, ja?“
„Schon gut, Rene, du bist der Boss.“
(1984)
Ein bedenklicher Trend: immer öfter werden lebensbejahende, aufgeschlossene Trendsetter Opfer technophober Fundamentalisten:
Display und Spracherkennung am Arsch, Gestell verbogen! Mitten in Kalifornien: Verhältnisse wie in der Ukraine! Wo soll das hinführen? Darf man wieder alles kaputtmachen? Wie lange müssen Menschen wie Kyle Russell noch in Angst und Schrecken leben? Wann kommen endlich Google-Implantate auf den Markt?
Du meine Güte. Ihr habt ja Horrorvisionen als Kinder gehabt.
Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich noch nicht lesen konnte, aber schon regelmäßig in Comics blätterte. Damals konnte ich mir ums verrecken nicht vorstellen, wie das mit dem Lesen überhaupt funktionieren sollte: Es gibt so so unendliche viele Themen, Ideen, Geschichten und so weiter und dementsprechend müsste es auch unendlich viele Sätze, Wörter, Buchstaben und so weiter geben und um die alle zu lernen müsste man ja unendlich lange in die Schule gehen, was offenbar nicht der Fall war. Ich war gespannt, wie weit ich mit dem kommen würde, was wir in der ersten Klasse lernen würden.
Es genügte jedenfalls, dass ich meine Comics endlich allein lesen konnte. Mein Favorit war Silberpfeil. Ein Heft umfasste 32 Seiten, das war enorm lang. Am Ende jeden Heftes gab es einen Ausblick auf das nächste Heft. Eine Woche Wartezeit war aber schier unendlich, eine unerträgliche Folter. Oft lag ich nach dem Durchschmökern eines Heftes erschöpft auf dem Sofa und doch geisterten meine Gedanken schon um die nächste Ausgabe: Was zum Teufel würde da alles passieren? Sollte ich den Verlag anschreiben und um eine Stellungnahme bitten? Oder wenigsten mal anrufen? Oder meinen Vater fragen, ob er da mal anrufen kann?
Eines Tages – wie so oft auf dem Sofa – kam mir die zündende Idee! Ich müsste nur mit einer besonders scharfen Rasierklinge die letzte Seite des Heftes von der Seite her aufschlitzen, dann würde ich unter dem abgebildeten Cover des kommenden Heftes die nächsten Seiten entblättern können, die da ja auch schlummern müssten. Und – welch Glücksgefühl! – auf der letzten dieser Miniaturseiten würde dann ja das Cover des übernächsten Heftes abgebildet sein, noch kleiner, aber mit einer Lupe könnte man das sicher auch lesen und mit einer noch feineren Rasierklinge dann das nächste Heft entblättern und so weiter.
Die gesamte Zukunft der Silberpfeil-Heftserie lag also bereits in dieser einen Ausgabe vor mir, in einer millimeterdünnen letzten Seite verborgen. Und ich könnte umgehend herausfinden, ob Falk oder Silberpfeil am Ende der letzten Folge sterben und meine Eltern könnten eine enorme Summe Geld sparen, weil sie keine neuen Hefte mehr kaufen müssten.
Hätte meine Mutter nur die Rasierklinge herausgerückt.
©Alaska
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