Month: Januar 2015

Seltsamer Haarausfall

Irgendein Arzt hier? Weiß jemand wie diese Krankheit heißt, bei der manchen Frauen die Augenbrauen ausfallen, sodass sie sie notdürftig mit einem Filzstift nachmalen müssen? Ist das ein Infekt? Etwas Genetisches? Gibt es ein sozial bedingtes Krankheitsrisiko? Was ist mit Heilungschancen? Und warum hört man von der Krankheit nichts? Tabuisiert unsere Gesellschaft da wieder einmal ein weit verbreitetes Leiden ohne Rücksicht auf die Betroffenen?

Hak’s ab!

Die Autos, die entlangfahren.
Die BMWS, die Audis, die Opels, die Maseratis.
Die bescheuerten Bäume, die Straßen, die Regenwürmer.
Die federlosen Zweibeiner allsamt.
Die Igitts! Gottes.

Die Wolken, der ganze Scheiß darunter.
Die Oper.
Der Atem, die Wege, die Stiche, die Auas.

Die Auswege. Und das Gelaber.
Alles Fehlkonstruktionen.

Alles nicht vonnöten.
Unentbehrlich für nichts.
Alles falsch, alles Fehlkonstruktionen.
Ich hab’s nicht gebaut.
Ich hab’s nicht gewollt.

Von Beginn an eine elende Frist.
Einsam ganz von allein.
Automatisch doof.
Und doof bis ganz zuletzt.
Alle Ausnahmen nur DIN Null Nichts.

Die orangen Wolken und der ganze Scheiß darunter.
Hak’s ab!

Atomstrom

Ich erhalte einen Anruf von der Energiezentrale.
Von der Energie-Was?
Na, von der Energiezentrale! Und mein Name ist Sandra Kirsch, sagt die Dame am Telefon.

Ach so, sage ich.

Ich würde ja in den nächsten Tagen einen Anruf von meinem Energieberater bekommen und dieses Gespräch wolle sie, Sandra Kirsch, nun inhaltlich ein wenig vorbereiten!
Von einem Energieberater wüsste ich nichts, unterbreche ich sie und ich würde auch keine Beratu…

Ich bereue augenblicklich. Man soll nicht immer alles abblocken! Man muss sich dem Leben öffnen! Hier bietet sich die Chance zu einem Gespräch! Wer bin ich, sie nicht zu nutzten!
Also schiebe ich nach: …wie kann ich ihnen denn helfen?

Andersrum, erwidert Frau Kirsch professionell. Wir möchten IHNEN helfen! Zunächst müsse sie wissen, ob unser Haushalt konventionellen Strom, also Atomstrom beziehe, oder ob wir einen Vertrag über Mix-Strom , bzw. Öko-Strom hätten.

Mein Stichwort ist gefallen. Es hat keinen Sinn mehr, länger an mich zu halten!

Ich hoffe doch sehr, antworte ich, dass der Strom aus meiner Steckdose guter, alter, kraftvoller Atomstrom sei! Ich halte nämlich absolut nichts von funzeligen Öko-Strom und flackernden Lampen! Ich bin kein Bummelstudent!  Wir hier brauchen volle Power! Wir brauchen Atomstrom! Nur eins ist noch besser als Atomstrom, wissen sie? Atomstrom aus explodierenden Atomkraftwerken! Das ist das Maximum an Power. Da laufen dann alle Geräte im Haus auf Hochtouren! Wichtig ist nur, das der Atomstrom aus explodierenen Atomkraftwerken aus fernen Ländern stammt. Russland oder Pakistan oder so. Wegen der Strahlung! Darauf legen wir großen Wert!

Das sage ich der Dame am Telefon. Und dann sage ich ihr noch, dass ich kein Gespräch mit einem Energieberater wünsche, da ich selber schon ganz genau weiß, wo der Hase langläuft.

Natürlich.Das werde ich hier notieren, selbstverständlich, sie wünschen keine Beratung, sagte die Dame und beendet unser schönes Gespräch mit einem Seufzer.
Es war ein Gespräch, dass mir gut getan hat. Ich fühle mich jetzt leichter, frischer und dynamischer.

Bei ALDI

Später, als alles vorbei war, wurde mir die bezaubende Koinzidenz der Zufälle bewusst, da schien es denn, als hätte die Wirklichkeit synron meine Gedanken illustriert, doch in dem Moment in dem es geschah, bemerkte ich es nicht, da nervte mich alles nur ungemein…

Ich stand vor der Kühltheke, packte Bio-Joghurts in das Wägelchen und dachte über eine Formulierung von Adam Smith nach, die ich kürzlich irgendwo gelesen hatte: …die Gifte der Inbrunst und des Aberglaubens.

Wie schön! Wie treffend Inbrunst als ein Gift zu bezeichnen. …die Gifte der Inbrunst und des Aberglaubens. Diese Formulierung wollte ich in mein Waffenarsenal aufnehmen!

So dachte ich vor mich hin, alldieweil zwei Gänge hinter mir Richtung Backautomat, ein aggressives Gebrülle anhob. Wenn schon, irgendein Arsch praktiziert da Meinungsfreiheit, das ignoriere ich jetzt einfach mal. Allein der echauffierte Zeitgenosse echauffierte sich immer weiter, das Gebrülle wurde immer lauter, mit dem Ignoriernen wurde das so nichts. Also ließ ich den Einkaufswagen stehen und ging rüber um mir anzuschauen, was es anzuschauen gab.

Da war ein Mann mittleren Alters: Jeans, Funktionsjacke, Collegeschuhe, gepflegt, einer der durchs nichts auffallen würde, wenn er nicht gerade zwei Frauen in langer schwarzer Garderobe und Niqab anbrüllen würde!

Sein Vokabular war duchweg standardsprachlich, seine Sätze grammatikalisch korrekt, das war kein Prolet. Er stand ungefähr zwei Meter von den Frauen entfernt und mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand schien er auf einem unsichtbaren Knopf Sturm zu klingeln. Seine Botschaft besagte im Groben, dass wir alle uns hier in Deutschland befänden und man hier eben keine Gesichtsverschleierung trüge und das man erwarten dürfe, dass sich auch Leute wir sie (Klingelinglingeling!) anzupassen würden und dass auch Leute wie sie (Klingelinglingeling!) sich vom Terrorismus distanzieren mögen, gerade jetzt sei das zu verlangen und dass eine Geduld bald aufgebraucht sei!

Die beiden Frauen waren unterdessen ein wenig zusammengerückt, standen aber dann ganz reglos da. Ebenso wie alle anderen Kunden und ich auch. Ich stand einfach nur da und überlegte, ob es notwendig sei einzugreifen. Für denn Fall, dass der Typ handgreiflich werden würde, war das keine Frage, aber er schien – obwohl er hoch erregt war – doch noch über einen Rest Selbstkontrolle zu verfügen. Trotzdem, sollte man nicht in einer solchen Situation Stellung beziehen? Die beiden Frauen wurden vor meinen Augen Opfer einer widerwärtigen Pöbelei, ich hasse ein solches Verhalten und ich verachte diese sich einkotenden Pegida-Zombies – aber ich blieb stehen und wartete ab.

Die Szene löste sich abrupt auf. Der Normalmann drehte sich um und verließ wortlos und völlig überraschend in schnellen Schritten die ALDI-Filiale. Vielleicht, weil er glaubte alle seine Argumente vorgetragen zu haben, vielleicht um sich vor schlimmerer Dummheit zu bewahren, vielleicht, weil ihn ein plötzliches Schambewußtsein überkam oder einfach nur, weil er dramatische Abgänge liebte. Weg war der Widerling und mir fiel auf, dass ich in der ganzen Zeit nicht das geringste Mitgefühl für die Frauen empfunden hatte. Null Empathie! War ich also in jener kleinen, unappetilichen Szene letztlich Zeuge meines eigenen impliziten Rassismus geworden?

Trimmen wir diesen Beitrag nicht künstlich auf Nachdenklichkeit! Machen wir es nicht allzu spannend: Nein, mein liebes Gewissen, halt’s Maul, ich habe mich rundum korrekt verhalten!

Denn wie zum Geier sollte ich die Damen als Individuen wahrnehmen, wenn sie ihr Gesicht verschleiert hatten? Und wie sollte ich Empathie für sie aufbringen, wenn sie sich dem elementaren Bekenntnis sie selber zu sein , der klassischen Visagen-Präsentation, verweigerten? Und stellte nicht eigentlich der Niquab ein Ressentiment mir gegenüber dar? Und provoziert der Niquab außerhalb seiner lokalen Sittlichkeit nicht beinahe zwangsläufig eine gewisse negative Gegenseitigkeit? Und rechtfertigt dies, dass irgend so ein aufgescheuchter Pegida-Zombie mir mit seinem Gebrüll den Vormittag versaut?

Grundgütiger, was leben wir in hysterischen Zeiten! Nicht einmal mehr ein Einkauf im Discounter geht glatt über die Bühne. Ich war froh als ich wieder in meinem Auto saß und die Richtgeschindigkeit missachten konnte.