Zwei freundliche Hotelgäste – sie geben sich als schwedische Geschäftsmänner zu erkennen – setzten sich zu mir an den Frühstückstisch. Als mein Blick auf ihren Teller fällt, wünschte ich, ich wäre ein besserer Kontingenzbewältiger. Da ist etwas, für das es keine vernünftige Erklärung gibt, etwas, wofür ich frühmorgens nicht gerüstet bin. Da sind je zwei Scheiben Graubrot auf ihrem Teller. Mit feuchter Salami und Margarine.
Salami und Margarine ließen sich ja noch als bloße Geschmacklosigkeit auffassen, das Graubrot aber ist eine Kriegserklärung an die Lebensfreude, eine Dingwerdung des Nihilismus.
Um es klar zu sagen: das Buffet liefert keinerlei Entschuldigung dafür, das biegt sich unter der Last lecker Gaben! Da gibt es Käse bis zum Abwinken, Honig, Konfitüren, gekochten Schinken, Parmaschinken, Mortadella, Chorizo, luftgetrocknete Walnussalami, Spiegeleier und Speck, Joghurts und sogar Müsli. Und vor allem gibt es da richtiges Brot, kräftiges, knuspriges, duftendendes Brot, Schwarzbrot und Baguette und Brötchen und Mehrkornbrötchen gibt es da. Alles, was das Herz begehrt.
Und was machen diese schwedischen Honks? Wie vom bösen Demiurgen ferngesteuert greifen sie zum Graubrot, zu spotten und zu verhöhnen des Lebens pralle Vielfalt. Was übler ist am Graubrot, weiß ich nicht: sein trister, final-entropischer Teig oder der industriell, makellose Schnitt seiner Scheiben.
Brot gehört gebrochen oder krumm und schief geschnitten, aber sicher nicht in gelaserten Portionen dargereicht! Einen Augenblick überlege ich, das Thema anzusprechen – auch die Sache mit der feuchten Salami -, dann fällt mir ein, dass die beiden freundlichen Herren aus einem Land kommen, wo man ohne Wimpernzuck fermentierten Hering verzehrt.
Als ich mich vom Frühstückstisch verabschiede, nehme ich mir fest vor, die Kunst der negativen Aufmerksamkeit besser zu lernen.
„… nehme ich mir fest vor, die Kunst der negativen Aufmerksamkeit besser zu lernen.“
Dann hier eine Anleitung dazu:
„… Wiederum, mit dem völligen Überwinden des Gebiets von Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung tritt der Bhikkhu in das Aufhören von Wahrnehmung und Gefühl ein und verweilt darin. Und seine Triebe sind vernichtet durch sein Sehen mit Weisheit. Man sagt, dieser Bhikkhu habe Māra geblendet, er sei für den Bösen unsichtbar geworden, indem er das Auge Māras seiner Gelegenheit beraubt hat, und er habe die Verstrickung in die Welt hinter sich gelassen.“
(Majjhima Nikāya 25 – Der Köder – Nivāpa Sutta)
Normierte (!) Kontingenzbewältigung, vor ca. 2500 Jahren erstmals beschrieben, ein echter Klassiker.
(Wobei ich ja Matjes-Fan bin, ehrlich gesagt.)
Schütten wir nicht das Kind mit dem Bade aus. Bevor ich meine „Triebe“ vernichte, kontrolliere ich sie lieber und bevor ich mich „weltlich“ entstricke, lasse ich mich lieber ewig und drei Tage von Kontingenz foltern. Ein Mann muss zu seinen Werten stehen! Für erleuchtetes Vegetieren bin ich ohnehin nicht pathophob genug.
„Triebe“ ist auch keine wirklich gute (modulo Kontingenz natürlich) Übersetzung für Āsava:
Āsava</a< is a Pali term (Sanskrit: Āśrava) that is used in Buddhist scripture, philosophy, and psychology. The glossary of the Companion Encyclopedia of Asian Philosophy[1] defines āsava/āśrava as:
inflow, influx, influence; mental bias or canker, cankers that keep one bound to the world of samsāra; used particularly in Jainism and Buddhism.[1]:948
According to De Silva:
The āsavas which are mentioned frequently are kāmāsava, bhavāsava, diṭṭhāsava and avijjāsava. Horner translates these as the cankers of sense-pleasure, becoming, false views and ignorance. The word canker suggests something that corrodes or corrupts slowly. These figurative meanings perhaps describe facets of the concept of āsava: kept long in storage, oozing out, taint, corroding, etc.[2]:75