Author: Halbmast

Am Strand

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Bis zur Zerzausung der Frisur.
Bis zu den Iden des Durstes.
Bis zur Gerbung der Visage.
Kilometerweit gelaufen bis der Strand menschenleer wurde.
Endlich allein! Nur noch Wind und Meer.

Oder etwa doch nicht?
Das bilde ich mir doch nur ein, nicht wahr?
Ich meine, Quatsch ist es doch!
Wer sollte mich hier beobachten?
Hier ist niemand.
Niemand beobachtet mich.
Niemand hat blaue Augen.

Reha

Wer Rücken hat, muss sich vorsichtig bewegen und wer das hat, was ich habe, muss vorsichtig schreiben: jedes Wort könnte ein falsches sein, jeder Satz schlimmes Aua tun. Aber vor sich hin existieren, blank leben sozusagen und nichts schreiben, hat auch wenig Taug. Dann wird alles nur schlimmer. Dann fallen wir der Dingsbumshaftigkeit anheim. Und auf dem Sterbebett bedauern wir.

Also vorsichtig schreiben. Aber nicht zu vorsichtig! Nicht ängstlich. Einfach sagen, was Sache ist.

Heute ist Samstag. gestern muss Freitag gewesen sein, da hatte ich mich aufs Sofa gelegt und ein Dead Pony Ale getrunkt. Das war sehr lecker! Dann muss ich eingeschlafen sein. Irgendwann hat mich meine Frau geweckert und mich informiert, wer Let’s Dance gewonnen hat. Das ist eine Sendung auf dem Flachfernseher, die man gerne guckt, wenn man das hat, was ich habe. Es sei denn man schlummert kommentarlos von dannen, dannen…

Irgendwann bin ich abermals aufgewacht, mitten in der Nacht. Das Fester war offen, die roten Vorhänge wehten Cha-Cha-Cha, es flackerte und kartätschte draußen. Der Himmel übte Rache für den viel zu heißen Tag – wer will es ihm verdenken! Ich dachte noch, dachte ich, in der ganzen Stadt stehen die Schlafzimmerfenster offen und Tausende sitzen in selben Augenblick benommen auf den Bettkanten und lauschen und…

Als ich aufwachte war Samstag oder Sonntag, dann korrigierte ich: es war Samstag. Wachsein, Samstag, Espressomaschine vorheizen, demnächst mal duschen, alles okay.

Unhaltbare Zustände

Aufgewacht mit dem Gefühl, den 3. Dan in Haiku zu haben.
Ich muss dichten!
Mach das Undurchdringliche klar und das Klare undurchdringlich, sag ich mir!
Schreib irgendwas über Kirschblüte und Grottenolm!
Lass der Poesie ihre fünf Minuten!

Doch als ich am Schreibtisch sitze, hebt draußen übler Radau an.
Junge Winde randalieren in der Botanik.
Böen zerren an Zweigen und schubsen Blüten umher.
Auf den Straßen geraten Toupetträger in Panik.
Der Linienbus gerät ins Wackeln.
Mütter stoßen spitze Schreie aus.
Manches kullert herum, anders scheppert, alles macht schafsblöd.
Die Konzentration ist futschikato.

Schade, ich wollte nur den kommenden Frühling lobpreisen.
Nur ein kleines, legeres Gedicht schreiben.
Aber bei diesen Unbilden, wer kann da noch Haiku!

 

Der Sinn des Sonntagabends

Sonntagabends vollstrecken wir die Sollensimplikationen unserer Sofas. Wir legen uns hin, den Kopf aufs Kissen, die Füße schön hoch, wir atmen gemächlich und drücken den Like-Button.

Das menschliche Gehirn verbraucht im Ruhezustand ungefähr 25 Prozent unserer Energie. Im Vergleich dazu kommen unsere Vettern, die Schimpansen, mit nur 8 Prozent prima über die Runden! Ein sattes Viertel unseres Energiehaushalts verwenden wir also alleine fürs Nichtdenken – eine Energiesparplakette bekäme unser Synapsorium dafür nicht!

Abgesehen von fernöstlichen Meditationstechniken und Komasaufen weiß ich keine bessere Möglichkeit, diesen Wert zu verbessern als den Fernseher anzustellen. Als ich die Fernbedienung suche, fällt mein Blick auf meine Frau, die divengleich auf dem anderen Sofa liegt und mich verschlagen anschaut. Sofort schütten meine Nebennieren Adrenalin aus.

Liebst du mich? fragt sie und das bedeutet auf emmanuellisch: Stehe auf und hol mir etwas aus der Küche!

Entgegnete ich nun, dass auch ich ein Menschenrecht auf Ruhe und Rumliegen besäße, wiese sie mich darauf hin, dass sie dies gut verstünde, aber selber keineswegs aufstehn könne, weil ja die beiden Kater auf ihrem Schoße lägen und sie solcherart zur Horizontalen verdammt sei! Wollte ich dann opponieren, etwa mit dem Argument, dies sei mir scheißegal und die Katzen seien für mich ohnehin nur Kostenfaktoren ohne Kuschelwert und Lebensberechtigung, setzte ich damit unweigerlich eine Diskussion in Gang, die die causa finalis des Sonntagabends völlig konterkarieren würde und die in niemandes Interesse läge…

Liebst du mich? fragt sie und ich antworte deshalb: Was willst du?

Die Jungs, sagt sie, sind gemein und saudumm!

Aha, sage ich und weiß noch nicht recht, ob ich froh sein soll, nicht aufstehen zu müssen. Und warum sind sie gemein und saudumm?

Sie sagen, ich könne nicht singen!

Das ist doch Quatsch, beeile ich mich zu beschwichtigen, du singst wirklich schön!

Wirklich wirklich? Findest du wirklich, dass ich schön singe? Ich meine, es ist doch nicht so schlimm, oder? Die sagen immer, ich solle sofort aufhören! Die sind gemein und saudoof!

Zeit, sich zu empören: Die reden dummen Scheiß, die Jungs! Du singst gar nicht schlecht, man spürt deine innere Freude jedenfalls und außerdem siehst du viel besser als Adele aus! Sogar besser als Agnetha und Anni-Frid zusammen!

Doch das interessiert meine Frau gar nicht. Es klingt doch gar nicht soo schlecht, oder? Oh, ich würd‘ so gern schön singen können!

Kommt eigentlich was im Fernsehen? frage ich.

Ich glaube ein Tatort! sagt sie.

Hurra, ein Tatort! Hoffentlich einer mit Simone Thomalla! Das sind die Besten! Vor allem, wenn Emmanuelle schreiendkomisch die thomallasche Blasarmatur nebst Gesichtsvakuum imitiert, weiß ich wofür ich GEZ-Gebühren zahle! Tatort! Sonntag! Keine Diskussion! Hirnströme auf Pikovolt! Hurra!

Doch diesmal gibt’s kein Tatort mit Simone Thomalla, nein, es ist noch schlimmer. Wirklich viel schlimmer! Diesmal gibt’s einen Tatort mit Meret Becker!

Das Leben ist grausam, sagt meine Frau.

Grundgütiger! entweicht es mir.

Ich halt das nicht mehr aus! sagt meine Frau.

Ich auch nicht, sage ich.

Lieber 10 Stunden modernen Ausdruckstanz auf der Kleinkunstbühne gucken als noch 60 Minuten von diesem Tatort! sagt meine Frau.

Ich muss mir etwas einfallen lassen! Wenn wir den Fernseher ausschalten, beginnt vielleicht wieder die Diskussion ums Singen! Ich muss jetzt irgendetwas Kluges sagen! Schäbige Hinterhöfe, gescheiterte Existenzen, Drogensumpf, ausgeschlachtete Personen, Beziehungskrisen, leere Blicke, Desillusion, Schmutz, Berliner Dialekt… Ich muss mir irgendwas aus den Finger saugen, damit der Fernseher weiter läuft.

Dieses demonstrativ Kaputte! Das Kaputte ist der Ersatz für eine gute Story und starke Figuren. Das Kaputte soll als Zeichen der Authentizität dienen. Früher war … sage ich, doch Emannuelle hört mir gar nicht mehr zu. Sie liegt entspannt auf dem Sofa und surft im Internet. Im Fernseher beginnen Personen plötzlich rumzubrüllen. Ja, auch das emotional Eruptive wird als Zeichen von Authentizität verwendet, die Naturalisierung von Drehbuchattitüden – alles schlecht gefaked!

Ich stelle die Lautstärke runter und schließe die Augen. Sonntagabend, ich gehorche, ich döse!

Liebst du mich? fragt meine Frau.

Was?

Holst du mir ein kleines Stückchen Käse aus dem Kühlschrank? Nur ein kleines! sagt sie.

Pseudo-Eklipse

Heute um 09:29 Uhr wird es zu einem selten „exponentiellen Anstieg der Instabilitätskonstanen“ (Jean Baudrillard) in Konjugation mit einem Klimax der „essentiellen Diskontinuität“ (Niels Bohr) des Quantengravitationfeldes kommen, was unweigerlich zu einem „temporären posttranzendentalen Heliumkollaps“ (Judith Butler) führen wird mit „negativen Effekten“ (Wofgang Joop) für die Erde!

Mit anderen Worten: die Sonne verwandelt sich in ein Schwarzes Loch, was jedoch „kein Grund zur Beunruhigung“ (Yanis Varoufakis) sein soll, sondern angeblich die „Grundsubstanz unseres Planeten“ (Sitting Bull) nicht weiter tangiert. Durch die Erhöhung der Sonnengravitation wird lediglich alles, was nicht niet- und nagelfest ist von der Erde gesogen – Autos, Kühe, Hochhäuser, Justin Bieber, Elton John, etc.

Dies ist ein zyklisches und ganz normales natürliches Geschehen, das der Evolution neue Investitionsmöglichkeiten bietet – wie zuletzt vor 10.000 Jahren als die „Dinosaurier“ (Jakob Augstein) ausstarben und die Nagetiere folgedessen das Kommando übernahmen! Die Erde wird also nicht untergehen, sondern es werden Granit, Schrattenkalk und schlechtes Karma beinahe vollständig erhalten bleiben! Beste Bedingungen für einen Neuanfang also.

PS. Es nutzt nichts, die Rolladen herunterzulassen und die Türen zu verschließen!

Elton John vs. Dolce&Gabbana

In den letzten Tagen haben mich Hunderte verunsicherter Leser um eine Stellungnahme in der „Causa“ Elton John versus Dolce&Gabbana gebeten. Eigentlich hätte ich auch selber darauf kommen können, dass in dieser unschönen Angelegenheit dringender Klärungsbedarf besteht, wenn – ja wenn mich meine Frau nicht weiterhin und nonstop mit dem Thema Dampfreiniger und mein Sohn mit dem Thema Was gibt’s zu essen? und mein Synapsorium mit dem Thema Womit habe ich das alles eigentlich verdient? in Beschlag genommen hätten! Das haben sie aber und deshalb kann ich meine faktenzentrierte Meinungsarbeit erst jetzt leisten. Sorry!

Also worum geht’s?

Es geht darum, dass der Elton John und der David Furnish sauer sind auf den Dolce und den Gabbana, weil die was von Chemiebabys und so erzählt haben und dann ist auch noch die Vikotoria Beckham sauer auf den Dolce und den Gabbana, weil sie irgendwas von Chemie verstanden hat und automatisch sauer wird, wenn sie nur Chemie hört und der Ricky Martin hat was von Gebärmutter verstanden und ist erst recht sauer und weil der Ricky Martin und der Elton John und der David Furnish und weiß-der-Geier-wer-noch sauer sind, ist auch die Courtny Love sauer. Und alle haben was in Twitter geschrieben und der Dolce und der Gabbana lassen sich das nicht gefallen und twittern zurück und alle sind wirklich STINKESAUER! Und dann haben sich noch welche über den Haaarschmuck von dem Elton John aufgeregt und der Elton John hat zum Boykott aufgerufen! So war’s.

So. Meine Meinung ist: jetzt wurde genug gestritten! Alle haben recht und basta! Der Elton John und der Dolce und der Gabbana und sogar die Vikotoria Beckham haben alle recht! Und alle sehen sehr gut aus, finde ich! Es gibt keinen Grund sich zanken zu tun! Schluss damit! Alle machen einen sehr gepflegten Eindruck und sollten einfach mal zusammen Shoppen gehen! Schön shoppen. Alle zusammen!

Und bis sich alle vertragen haben, boykottiere ich auch. Und zwar alle! Ich trage ab sofort keine Dolce&Gabbana-Klamotten mehr und hör auch keine schöne Musik von dem Elton John mehr! Bis sich alle wieder beruhigt haben!