An Bord bleiben (MS Finnlady)

Aber ich bin an Bord geblieben.

Ich habe mich auf meine Koje verfügt und nachgedacht. Als mir das zu langweilig wurde, begann ich meine Umwelt (vice versa mich selbst) achtsam wahrzunehmen, exakt so, wie es heutzutage überall empfohlen wird: Nehme deine Welt achtsam wahr! Nehme deine Welt achtsam wahr und lasse dich nicht von vorgefertigten Meinungen narren!

Nun, die Kabine vermittelte eine merkwürdig Retro-Anmutung, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte. Das Licht war eine Mischung aus Funzel und Neon. Die Matratze war durchgelegen von Truckern und Truckerliebchen, der Schiffsdiesel brummte und das Meer gebärdete sich unbändig. Offensichtlich reagierte die Ostsee allergisch auf Landratten wie mich. Vielleicht hatte sie aber auch nur einen schlechten Tag. Gleichwie mir fiel da etwas auf, etwas Erstaunliches. Die Schiffsspitze hob und senkte sich im Rhythmus der Wellen, aber sie hob sich stets deutlich weniger als dass sie sich senkte! Dies ließ nur zwei Rückschlüsse zu. Entweder war die Fähre im Begriff zu sinken oder aber wir fuhren bergab! Da keine Alarmglocken läuteten, vermutete ich Letzteres. Ich schätzte die Differenz auf ungefähr 35 Zentimeter. Was konservativ geschätzt war! Rechnet man nun 6 Wellen pro Minute bei einer 30 stündigen Rückfahrt, dann ergibt sich daraus, dass Rostock 3.780 Meter tiefer als Helsinki liegt.

Dies war einer dieser unbezahlbaren Alexander-von-Humboldt-Momente und ich habe sofort eine Skizze angefertigt, in der Erkenntnis und Erlebnis anmutig korrelieren:

Skizze

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