Far from Georgia

Vorweg dies:

Meine Frau und ich schätzen klare Rollenverteilungen im ehelichen Alltag. Mögen manche Zeitgenossen und Zeitgenossinnen solche Rollenverteilungen beargwöhnen und bestirnrunzeln – uns bieten sie eine willkommene Beziehungskomplexitätsreduzierung, welche ein gedeihliches Miteinander befördert und uns zudem genügend Zeit und Energie lässt, um uns auf Ehe-Nebenschauplätzen zu bekriegen! Natürlich: jede Rolle ist ein fauler Kompromiss, aber solange jeder von uns das Gefühl hat, bei ihrer Verteilung den anderen über den Tisch gezogen zu haben, sind alle glücklich und zufrieden. Im Großen und Ganzen sind bei uns die Aufgaben schon gerecht verteilt: Sie bringt die Jüngste ins Bett – ich gucke schon mal vor, was im Fernsehen läuft. Ich fahre Auto – sie „kennt“ den besseren Weg. Ich koche – sie sucht die Vitamine im Essen, etc.

Leider wird unsere Musterehe gelegentlich durch den widersetzlichen Eigensinn meiner Frau an ihrer vollen Prachtentfaltung gehindert. Dann stellt sie – womöglich aufgehetzt von irgendwelchen Frauenzeitschriften, die sie vielleicht ja doch heimlich liest – Bewährtes und Evidentes in Frage, dann will sie ihren beziehungsinternen Part nicht mehr übernehmen, manchmal sogar nicht einmal wahrhaben! Beispielsweise weigert sie sich als Hat-keine Ahnung-von-Musik zu fungieren und strebt guerillamäßig meinen Hat-Ahnung-von-Musik-Status an.

Gestern also… Stop! ich muss noch etwas anders vorausschicken!

Den Dachspeicher meiner Eltern. Der ist nämlich im Laufe der letzten Jahrzehnte zum Depot für Bücher und CDs geworden, die ich in unserem Haus nicht mehr sehen, aber aus Charakterschwäche auch nicht endgültig entsorgen will. Kistenweise steht da das aussortierte Zeug rum und gelegentlich durchstöbere ich die Lagerware, weil ich meiner eigenen Selektion misstraue.

Gestern also entdecke ich in einer dieser Kisten eine gebrannte CD mit der unverkennbar eigenhändigen Aufschrift Prince. Nur Prince steht da, sonst nichts und ich weiß nicht, was das für eine CD sein soll, die ich da in Händen halte. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, jemals diese CD gebrannt, beschriftet (und dann auch noch so beknackt kryptisch beschriftet!) oder gar gehört zu haben. Ich beschließe, das Rätsel zu lösen und nehme mein Fundstück mit. Auf der Rückfahrt kann man da ja mal reinhören, yo.

Doch als ich mir dann die CD anhöre, wird alles nur noch rätselhafter. Ich kenne die Stücke überhaupt nicht, schlag mich tot! Noch nie gehört! Klar, das ist Prince aber was für ein Album? WaaasfürnnePlattezumGeierisndas? in meiner Rat- und Fassungslosigkeit begehe ich den Fehler, laut zu denken. Was meine Frau als Aufforderung zum Gespräch missversteht.

Was, du kennt die Platte nicht? Oh, Mann, du bist mir ein Experte. Der Trottel kennt die Platte nicht! Ich lach mich schlapp!

Ich vermute, dass mir an dieser Stelle ein gereiztes Und du? DU weißt es nätürlich? Hahaha! entfleucht sein muss denn sie antwortet zu meinem Entsetzen im auftrumpfenden Ton:

Klar, du Trottel, das ist die „Far from Georgia“! Irgendwann Anfang der 90er erschienen!

Ich traue meinen Ohren nicht. Far from Georgia? ich frage meine Frau, ob sie vielleicht Prince mit John Denver verwechselt? Ihr zuzutrauen wäre es. Nein, erkläre ich, ein Prince-Album Far from Georgia gibt es definitiv nicht!

Andererseits kann ich mir da nicht zu 100 Prozent sicher sein und sie insistiert aufreizend hämisch und siegessicher. Und wenn es jetzt doch ein gleichnamiges Prince-Album gibt? Der Typ war ein irrer Vogel, man weiß es nicht. Far from Georgia? Für mich gilt es den möglichen Schaden abzuwägen. Wenn ich nun meiner Frau weiterhin vollumfängliche Ahnungslosigkeit unterstelle und zu Hause stellt es sich dann raus, dass sie rein zufällig – in klassischer Blindhuhnmanier – doch recht ha… Gar nicht auszudenken! Eine Katastrophe wäre das. Sie ist gerissen, sie wartet nur auf einen solchen Fauxpas. Ich muss jetzt vorsichtig sein und den richtigen Ton treffen. Besser partielles Nichtwissen einräumen (was auch von Souveränität zeugt!), als den Experten-Status ganz zu riskieren! Jovial bitte ich sie, doch vielleicht einmal das Cover zu ergoogeln. Nicht dass ich ihr misstraue, nein, aber vielleicht könnte ich mich dann ja erinnern und so. Du weißt schon, Schatz.

Im Nachhinein mache ich mir Vorwürfe. Ich denke, es hätte mir auffallen müssen. Ich hätte bemerken müssen wie lange sie angeblich googelte, wo sie doch sonst so unglaublich fix in diesen Dingen ist. Und ich hatte sie ja auch noch gefragt, hatte ich noch. Was issen nun mit deinem „Far from Georgia“? Und sie hatte behauptet, die Verbindung breche dauernd ab, einen Augenblick, mein Trottelchen. Tja und wir fuhren durch die Voreifel und es klang plausibel.

Dann sagt sie. Hier guck!

 

Far from Georgia

 

Und ich guck und staune. Also doch! Wer hätte das gedacht! Far from Georgia. Ich schaue intelligent aus meiner Wäsche. Far from Georgia? Was hat sich Prince dabei bloß gedacht? Vielleicht ist das irgend so ein Slang-Ding, ein Idiom? Keine Ahnung. Unterdessen gratuliere ich mir innerlich, so umsichtig taktiert zu haben. Gut, dass ich sie nicht weiter provoziert habe! Das wäre ein Fiasko geworden. Mühsam quetsche ich ein Respekt, du hast den Kennt, Baby! ab.

Und dann spüre ich wie sie leise-quietschend auf dem Beifahrersitz erbebt und mir schwant Übles, ganz Übles. Gib zu, dass ich genial bin! sagt sie. Los gib’s zu! Und ich frage, schlagartig ermattet, nur Wie? Wie nur? Und sie sagt: Pixlr! In 60 Sekunden! Und ich übrlege, ob ich vielleicht gegen einen Baum fahren sollte.

Wie gesagt, meine Frau und ich schätzen klare Rollenverteilungen. Leider vergesse ich manchmal welche Paraderolle mir dabei zufällt, ich Trottelchen, ich! Egal, Rollen machen frei und deshalb liebe ich sie. Die Rollen und sie.

 

14 comments on “Far from Georgia

  1. Tomsten 6. Mai 2016 17:56

    Im grossen und ganzen hast Du mit dem Rollenverteilungs-Dings natürlich recht … aber … Frauen sollten auch immer zwischendurch mal für ne Überraschung gut sein!

    Versetzt uns nicht nur in maßloses Erstaunen … macht unterm Strich sogar Schpass.

  2. Alaska 6. Mai 2016 18:19

    Pixlr! In 60 Sekunden!

    Hihi! Cool!

    Egal, Rollen machen frei und deshalb liebe sie. Die Rollen und sie.

    Harfe zum Beispiel können eigentlich nur Frauen spielen. Oder?

    • ausdertiefedesraums 9. Mai 2016 9:57

      Check out:
      Andreas Vollenweider und Alan Stivell (Grottiges geklimper)!!!

      • Halbmast 13. Mai 2016 19:55

        Ist die Harfe nicht ohnehin ein Grotten-Instrument?

      • Tomsten 14. Mai 2016 10:05

        Kein Gemecker über Alan Stivell, ja!!

  3. Emmanuelle 6. Mai 2016 19:47

    Hach, das war so schön! So infernalisch schön! Der Halbe ist eine verdammte Prince-Enzyklopädie, dass mir gelungen ist, ihm einen solchen schmierigen Bären aufzubinden ist so schön schön wunderbar…. Hoffentlich vergesse ich das nicht im Alter. Das wird mich innerlich wärmen, wenn ich mit dem Halben im Seniorenheim sitze und er mir das Ohr abkaut über dieses und jenes worüber er zufällig ein profundes Halbwissen besitzt…

    • Halbmast 7. Mai 2016 10:59

      Du sprichst mir aus dem Herzen, Beate. Ich sehen das ganz genau so! 😉

  4. Alaska 7. Mai 2016 19:57

    Leider wird unsere Musterehe gelegentlich durch den widersetzlichen Eigensinn meiner Frau an ihrer vollen Prachtentfaltung gehindert.

    Am besten von vornherein dem vorbeugen:

    „Feinfüliger Typ, 62 J./1,65 m/ 180kg su. selbständ. Sie (zw. 18 u. 25), die eine eig. Meinung hat u. stark genug ist, sie für sich zu behalten. Die nicht nur im Bikini eine gute Figur macht, sondern auch am Hert. Ich trage dich auf Henden (nur bis 60 kg).“

  5. Alaska 17. Mai 2016 19:27

    Meine Frau hatte letztes Jahr übrigens einen Amazon Fire TV Stick gekauft und das war eine prima Idee, denn dadurch habe ich ABC Lounge Radio entdeckt:

    ABC Lounge Music Radio

    Bin ich schon regelrecht süchtig nach, und wenn ich es höre, dann träume ich von Sète und freue mich schon auf die leckere Rouille de Seiche … nur noch zweieinhalb Wochen!

    • Halbmast 20. Mai 2016 7:54

      Radio höre ich nicht und Lounge Music nie außerhalb von Lounges, aber die Täumerei kann ich gut verstehen. Wir haben gerade auf Amazon die zweite Staffel von „Bosch“ gesehen und das hat sich angefühlt wie eine nächtliche Spritztour auf dem Mulholland Drive.

      • Emmanuelle 20. Mai 2016 12:40

        Sag mal, heißt das nicht „Taumelei“? Und jeder ist schon getaumelt, als der gute Mond ihm heimleuschchtete. Du musst deswegen nicht traurig sein.

      • Alaska 1. Juni 2016 19:22

        Wir waren gestern Abend gemeinsam in Staffel 1 bis Folge 7 gekommen, aber meine Frau hat dann eigenächtig weitergeguckt, während ich ins Bett musste, Augen zugefallen.

        Jetzt hole ich auf und bin schon bei Folge 9, während sie mit einer Freundin unterwegs ist … wenn sie bis Folge 10 nicht zurück ist, soll ich einfach weitergucken??

        So wird das nie was mit dem Paarentertainment … Scheiß Amazon.

        • Halbmast 3. Juni 2016 19:50

          Vorsätzliche, bzw. nicht genehmigte Verstöße gegen das eheliche Simulvisions-Gebot werden bei uns mit Krächen nicht unter 15 Minuten bestraft. Im Hause Halbmast/Emmanuelle herrscht Zero Tolerance für TV-Egotrips!

Leave a Reply

Your email address will not be published.

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.