Ungeile Geilheit

Stress im Berufsleben, Probleme mit Orangenhaut und mit unbotmäßigen Figuren. Zudem apportier-willige Eigenwiller, sogenannte „Partner“, die ständig – merkwürdig halbgeil – rauf wollen auf die Muttis: es gibt viele gute Gründe, weshalb Frauen heutzutage keinen Bock aufs Bumsen haben.

Ein beklagenswertes Geschlecht, dem nicht nur das moderne Leben übel mitspielt, sondern überdies auch noch die Biologie Schwieriges abverlangt: um im Eigeninteresse und zugleich im Dienste der Gattung ihren Reproduktionspflichten korrekt nachzukommen, muss frau die female choice gnadenlos obwalten lassen, die sorg- wie mühsame Auswahl der raren, männlichen Prachtexemplare aus dem sabbernden Heer der Alpha-Kevins. Bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe würde die Damen nun nichts mehr stören als stete Wollust und unbeugsamer Rammelwille. Wuschig entscheidet sich’s eben gern unklug. Ein neutraler Kopf wäre da besser. Nur: wie geht „neutral“ bei all den Hormonen?

Bei der Lösung von Problemen geht die Evolution normalerweise eher hemdsärmlig vor, da zählen keine Befindlichkeiten, da zählt Ökonomie. Anstatt also ein ein ganzes Geschlecht und eine ganze Chemie neu zu erfinden, kappt die Natur einfach ein paar vorhandene Verbindungen – Hauptsache es geht irgendwie weiter, weiter, weiter. Und so kam es zu jenem vorgeschichtlichen Split, den die Sexualwissenschaft heute staunend zu konstatieren hat: Frauen (die Ausnahmen – wie immer – ausgenommen!) sind von Natur aus rammelwild und zugleich sind sie es nicht. Genauer gesagt: sie sind den Luxusbechromosomten (Männern) darin ähnlich, dass sie geil und vögelorientiert sind und sie sind den Luxusbechromosomten darin unähnlich, dass sie nichts (oder nur wenig und nur zeitverzögert) davon mitkriegen! Ihnen fehlt’s  schlichtweg am Bumsbewusstsein! Ob man diesen Split beklagen soll oder loben, keine Ahnung – er muss den Damen das Selektionsgeschäft wohl ungemein erleichtern. Sonst gäbe es ihn nicht. Gesellt sich nun zum biologisch disponierten Mangel an Bumsbewusstsein auch noch ein Mangel an Bumskultur, dergestalt er in unseren geschätzten bürgerlichen Kreisen vorherrscht, wird eindeutiges Treiben notwendigerweise Schaltjahrereignis!

Anbetracht all dessen, haben wir alle natürlich vollstes Verständnis für die Unlust der Frauen – Ausnahmen ausgenommen (Muss man es immer wieder betonen? Nein, ab sofort wird hier gar nichts mehr betont, jedenfalls nicht das Simpelste vom Simplen). Alle haben Verständnis, nur nicht die Pharmaindustrie. Die hat kein Verständnis dafür.

Die will zukünftig Flibanserin, das „Viagra für Frauen“, die Pille für die Wonne, unters Volk bringen, auf dass sich die weibliche Libido und das Lustempfinden steigere, was zu einem atemberaubenden statistischen Plus „von einem halben bis einem Mal Sex mehr pro Monat“ führen soll! Man möchte meinen, ein „halbes Mal Sex mehr“ sei eine verzichtbare, womöglich sogar gänzlich verzichtbare Größe, doch wir leben in trockenen Zeiten und Genügsamkeit ist nicht die niederste aller Tugenden!  Flibanserin hebt den Mauseldrang der Frau zwar nicht auf Naturvölkerlevel, aber mehr bleibt mehr, auch wenn’s wenig mehr ist.

Bevor nun jedoch allgemeine Begeisterung aufbrandet, sei auf Nebenwirkungen hingewiesen, auf die Experten nicht ohne Sorgen hinweisen, sintemal der Pillenverzehr von Flibanserin in nicht seltenen Fällen Müdigkeit, Hypotonie und Schwindelanfälle zeitigt! Wer jetzt „Moment mal!“ sagt, sagt meiner Meinung nach völlig zurecht „Moment mal!“ Müdigkeit, Hypotonie und Schwindelanfälle? Kann das Zufall sein? Sind das nicht genau die gängigen, vornehmen Umschreibungen für sexuelle Unlust? Liegt hier also ein hundsgemeiner circulus vitiosus vor? Sollte schlussendlich Flibanserin die Krankheitssymptome, die es zu bekämpfen vorgibt, höchstselber verstärken?

Vorsicht scheint im Umgang mit der Lustpille erste Bürgerinnenpflicht!

Man muss auch kein Mediziner sein, um zu befürchten, dass Flibanserin Nebenwirkungen hat, die auf dem Beipackzettel gar nicht angeführt werden. Sehen wir es mal so: was tun Frauen, die keine Lust auf Sex haben? Was tun sie normalerweise?

Eben! Sie machen Yoga und gehen shoppen! Und das ist gut so! Yoga ist gesund und Shoppen nützt der Volkswirtschaft, ein Erlahmen der Binnennachfrage können wir uns in Deutschland schwerlich leisten! Warum also etwas ändern, was gut läuft?

Wer denkt, denkt weiter und irgendwann stößt man unfreiwillig auf unschöne Konsequenzen. Was, wenn Frauen nun dank Flibanserin tatsächlich entdecken, dass ein leidenschaftliches Liebesleben der Lebenqualität nicht gänzlich abträglich ist? Was, wenn sie entdecken, dass Sex nicht nur zum Instrumentalisieren gut ist? Was, wenn sie plötzlich Spaß am Bumsen haben? Führte dies nicht unweigerlich zu gesamtgesellschaftlichen Komplikationen der übelsten Art? Von vorne, von hinten, von rechts, von links, von oben, von unten. Was, wenn sie sagen: lieber gleich eine Stellung als Gleichstellung? Ginge dann das Abendland nicht vollautomatisch unter?

Und ist Kultur nicht irgendwie auch ein Produkt von Triebverzicht und Ersatzbefriedigung? Was soll aus all den Töpferkursen, Subventionstheatern, Dichterlesungen, Vernissagen und Charity Balls werden? Den Bürgerinitativen und Elternabenden? Wer soll da noch hingehen, wenn die Frauen ubiquitär zum Beischlaf drängen?

Ich bin wirklich kein Katastrophist, aber die Lustpille für die Frau könnte definitiv das Fass des Untergangs zum Überlaufen bringen. Finger weg davon, Ihr Frauen! Ich bin auch kein Naturalist, aber besser geil ungeil, als ungeil geil. Aber egal, sub specie aeternitatis ist auch das Wurst.

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