Infekt

Ein halbe Stunde im Internet gesurft, hier geklickt, da geklickt und gehofft, zum Ausgleich vielleicht doch irgendwie gnadenhalber 29 oder 28 Minuten länger zu leben. Damit der Verlust nicht so immens ist.

Dann verfüge ich mich mit meiner hübschen petrol-farbenen Wolldecke aufs Sofa. Der Atem klingt wie ein antiker Pressgas-Anlasser. Jeder Knochen foltert seinen Wirt. Ich lege die Kühlkompresse auf meine Augen und harre der Wohltat. Doch stattdessen kommen Intrusionen. Eine endlose Reihe von Ohrfeigen-Visagen: Erdogan, Trump, Frauke Petry, Dieter Bohlen, Nils Ruf, Elton John, Madonna, Seehofer, Margot Käßmann, Konstantin Wecker, Jürgen Klinsman, Said Kouachi…

Kann man nicht mehr unbehelligt die Augen schließen und wohlig-leidend seine Bronchitis genießen? Das Internet sollte abgeschafft werden! Wenigstens sollten „die Medien“ restriktive Gesichtskontrollen einführen. Muss denn wirklich jede Meldung über Erdogan mit Erdogans rustikalem Anlitz geschmückt werden? Warum werden wir seit Monaten mit Donald Trumps Visage gefoltert? Ich verstehe schon, zuviel Text verklumpt das Leserhirn, aber könnte man nicht die Meldungen einfach mit Favicons oder Symbolbildern oder meinetwegen mit wertneutralen Tierphotos versehen? Mich jedenfalls würde die Abbildung einer Etruskerspitzmaus beispielsweise eher motivieren, einen Text über Frau Petry zu lesen als ein Photo von ihr. Aber letztlich ist auch das egal.

Blöder Infekt. In Ruhe leiden kann ich nicht, s.o., Drogen mag ich nicht, was soll ich tun? Ich logge mich im Urknall ein. Das Passwort ist zu kompliziert für mein fiebriges Synapsorium, aber meine Finger erinnern sich. Sie vollführen einen absurden Tanz auf der Tastatur und dann bin ich Halbmast.

Aha. In den letzten 14 Tagen begehrten 144 ukrainische, 27 russische, 5 lettländische, 3 amerikanische und 2 schwedische (!) IP’s unautorisierten Einlass in meine Katakomben. Alaska hat Ostergrüße niedergelegt und ich grüße hiermit verspätet, aber herzlich zurück.

Ich könnte jetzt einen neuen Beitrag verfassen. Diesen hier oder einen über den Kardinal Müller oder einen über Disparität und Glück.

 

One comment on “Infekt

  1. Alaska 30. März 2016 19:57

    Gute Besserung!

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