Zivilsation

Der dünne Firnis

Und weiter geht’s mit Sascha Lobo:

„Zivilisiert zu sein bedeutet, nacheinander neun Schwarzhaarigen zu begegnen, die sich alle als Arschlöcher erweisen, und trotzdem dem zehnten Schwarzhaarigen nicht deshalb in die Fresse zu hauen. Es gibt nicht den einen Auslöser, nach dem Rassismus plötzlich okay ist.“

Man müsste sich vielleicht ein bisschen besser darüber verständigen, was Rassismus eigentlich ist, schließlich erfährt der Begriff aktuell ja einen volkssportlichen Verschleiß, mit dem Effekt, dass waschechter Rassismus – wie z.B. im Fall Höcke, Björn – in der allgemein hohen Grundempörung paradox normalisiert wird. Aber egal, ich stimme zu: Rassismus ist nicht okay, ganz und gar nicht. Da hat Sascha Lobo recht.

Der Rest ist Unsinn. Zivilisation ist keine extreme Form der Selbstüberwindung, das Personal dafür steht unserer Gattung schlichtweg nicht zur Verfügung. Zivilisation heißt nicht mit Buddha, Jesus und Ghandi zu wetteifern. Zivilisation bedeutet lediglich bestimmte grundlegende und allgemeinnützliche Regeln anzuerkennen und zu befolgen. Und diese Regelung beginnt keineswegs erst mit dem „zehnten Schwarzhaarigen“ in der Lobo-Reihe, sondern schon mit dem Ersten!

Die zivilisatorische Aufgabe besteht nicht darin, bis zuletzt dem Individuum als Individum zu begegnen und sich Offenheit und Wohlwollen zu bewahren. Sie besteht auch nicht darin, dem „zehnten Schwarzhaarige“ keine in die Fresse zu hauen. Nein, sie besteht – um im Bild zu bleiben – darin, schon das erste „Arschloch“ an die Regeln zu erinnern und diese Regeln gegebenenfalls auch durchzusetzten. So einfach ist das.

Vielleicht ist der dünne „Firnis der Zivilisation“ (Lobo, et.al.) auch nur deshalb so dünn, weil Leute wie Bax, Dietz oder der unsägliche Augstein als wahre Gesinnungsethiker neunmal zu oft in edle Duldungsstarre verfallen sind.