Month: März 2014

Holzbank

Der Himmel trägt ein kurzes Röckchen, wir fahren ins Freie, Licht soll ins Gemüt. Wir kennen da einen schönen Ort mit Wiesen und Weiden und plätscherndem Bächlein. 15 Minuten Bleifuss, dann ist man da.

Als ich aus dem Auto steige, fliegt mir ein Zitronenfalter ins Auge. Okay, er fliegt mir nicht ins Auge, aber knapp vorbei. Ich bin bedient und will nach Hause, es erfolgen lautstarke Wortwechsel, schließlich überredet man mich zu bleiben. Aber nur, weil mir für die Rückfahrt ein Eis versprochen wird.

Wir latschen über Auenwiesen. Meine Frau befiehlt mir, mich zu erholen. Die Sonne zieht nun blank, selten hat der Winter so grandios Frühling vorgetäuscht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bächleins steht ein ungepflegtes, dickes Schaf im Gras. Es wirkt völlig durcheinander. Um das ungepflegte, dicke, durcheinanderne Schaf torkelt ein Lämmchen herum. Sein Name sei Hasselhoff. Die Nabelschnur hängt ihm noch vom Bauch. Hasselhoff versucht an Mutters Milchapparatur zu kommen, aber das ungepflegte, dicke, durcheinanderne Schaf dreht sich immer wieder seitwärts davon. Die beiden führen einen merkwürdigen Tanz auf. Geht das lange so weiter, hat Hasselhoff bis Ostern niemals Schlachtgewicht.

Aber ich habe Schlachtgewicht, weshalb ich mich auf eine Holzbank lege, die einsam am Wegesrand steht. Ich schließe die Augen und lausche dem Drumherum. Ab und zu kommen Spaziergänger vorbei. Ein Unrasierter liegend auf einer Bank! Da verstummen dann ihre Gespräche. Gut so.

Die Sonne scheint, das Bächlein rauscht, mein Atem ist ein Gaudibursche: rein und raus und rein und raus. Warm ist’s, die Bank mein Wölkchen.

Von ferne, da wo der Spielplatz liegen muss, höre ich Kommandotöne. Ein junges Mädchen erklärt ihrer Mutter energisch die Regeln für das Spiel, das sie gerade erfindet. Die Hauptregel lautet, dass sich die Mutter aller Willkür zu beugen hat. Die Mutter ist klug und tut das auch.

Schließlich ratze ich famos ein und wache erst wieder auf, als auf der anderen Seite des Baches die Schafsherde den Bauern mit allgemeinem Blöken begrüßt. Die Sonne scheint und ich bin immer noch müde.

Ich tschläppe mich zum Spielplatz und frage: Wann kriegen wir jetzt unser Eis?

 

Gottesteilchen

Als Nicht-Physiker werde ich oft oft gefragt: Herr Halbmast, was sind denn eigentlich Gottesteilchen? Es ist alles so schrecklich kompliziert! Nun gut, probieren wir eine Antwort ohne das übliche Fachchinesisch.

Bekanntermaßen ist Gott tot. Toter kann man gar nicht sein. Moderne Physiker gehen davon aus, dass er vor cirka 13 Milliarden Jahren bei einer sehr, sehr großen Explosion (standortabhängig: bei einer sehr, sehr kleinen Implosion) das Zeitliche segnete. Schuld an dieser Explosion, bzw. Implosion war er wahrscheinlich selber. Man vermutet einen unsachgemäßen Umgang mit Chemikalien, aber sicher ist das nicht.

Nun gilt in der Physik – anders als in der Finanzwirtschaft -, dass von nichts nichts kommt und dass andererseits immer etwas etwas bleibt und nicht einfach plötzlich nichts wird. Das geht nämlich gar nicht, sagen die Fachleute.

Und genau deshalb, weil etwas immer etwas bleibt, haben Physiker auch immer gedacht, dass irgendetwas von Gott übriggeblieben sein muss und das dieses Irgendetwas durch die Gegend fliegen muss und klitzeklein sein muss und nicht mit dem bloßen Auge zu sehen ist.

Deshalb wurde gigantische Lupen konstruiert, mit denen man genaustens beobachten kann, was passiert, wenn man aus ganz gewöhnlicher Materie Kleinholz macht.

Und siehe da: wenn man genügend Gewalt anwendet, wenn man Materie nur feste genug zerdeppert, dann flüchten Mini-Mini-Mini-Teilchen mit Heiligenschein von dannen. Eben die sogenannten Gottesteilchen.

Gott, bzw. was von ihm übriggeblieben ist, hat sich also 13 Milliarden Jahre, 13 lange Milliarden Jahre im Detail versteckt. Sozusagen.

 

PS.
Achtung! Gottesteilchen kann man nicht kaufen! Entsprechende Angebote einer bekannten mexikanischen Online-Bäckerei sind absolut unseriös. Die Dinger bestehen zu 100 Prozent aus Hefe und Hühnersand.

Frau im Spiegel (der Wissenschaft)

Dröger, theoretischer Stuff und roher Zahlensalat. Dann das ganze Theater um Überprüfbarkeit und Gültigkeit, der ganze Bullshit mit dem genauen Nachdenken und so: wen interessiert das eigentlich? Niemanden!

Und genau deshalb, weil es niemanden interessiert, gelangen wissenschaftliche Studien normalerweise eher selten in die Nachrichten. Es sei denn, die wissenschaftiche Studie ist gar keine wissenschaftliche Studie, sondern nur scheinbar eine wissenschaftliche Studie, gewissermaßen eine „wissenschaftliche Studie“ honoris causa, da sie zwar keine methodischen Standards erfüllt, wohl aber edelster Intention frommt und die eherne Wahrheit des Zeitgeistes bestätigt. Oder weil sie sehr viel Steuergeld gekostet hat. Dann freilich kann eine „Studie“ es durchaus in die Nachrichten schaffen. Dann kann aus  einer „Studie“ auch schon mal  eine ausgewachsene Info-Kampagne werden. Unlängst so geschehen.

Da veröffentlichte nämlich die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ihren Bericht über Gewalt gegen Frauen und es war  beinahe unmöglich nicht über diesen erkenntnisspendenden Bericht informiert zu werden. Spiegel, Tagesschau, Süddeutsche, Die Zeit: medienweit war plötzlich Aufklärung Trumpf. Ich vermute, der FRA- Bericht war sogar dem Kicker eine Schlagzeile wert. Überprüft habe ich das nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.

Dabei ist die mediale Beachtung, die dieses Highlight der qualitativen Sozialforschung (30-40 minütige Vier-Augen Interviews von Frau zu Frau) erfahren hat, von der Sache nicht erklärbar. Denn die Studie bestätigt ja nur, was sie unverrückbar voraussetzt und was wir alle ja schon längst wissen: Frauen sind Opfer und Männer Schweine.

Wäre die Studie in Hinblick auf ihre Prämissen weniger festgelegt gewesen – undenkbar, welche methodischen Probleme man sich dann eingebrockt hätte! Dann hätte man ja – Grundgütiger! – womöglich sogar Männer befragen müssen, ob auch sie Opfer häuslicher oder gar sexueller Gewalt jemals geworden sind! Im schlimmsten Fall hätte man dann womöglich relevante Vergleichsgrößen ermittelt! Und wie hätte man überhaupt die Aussagen männlicher Probanden filtern sollen, sodass sie nicht versehentlich mit den Tatsachenaussagen der Frauen verwechselt worden wären? Diese Statistik wäre dann wahrscheinlich nur schwer zu fälschen gewesen, ohne der höheren, überpositiven Wahrheit der Studie ihren Glanz zu stehlen.

Interessant sind nicht die vorhersehbaren Ergebnisse, sondern einige Teilergebnisse. Und noch interessanter ist, wie die Intelligenzbolzen von der FRA diese interpretieren:

gewalt-gegen-frauen

Kann das sein? Kann es wirklich sein, dass ausgerechnet in jenen Ländern, in denen der Feminismus Staatsräson ist, Frauen deutlich häufiger familiärer und sexueller Gewalt ausgesetzt sind als in den klassischen Macho-Nation Italien, Spanien und Griechenland? Damit niemand vorschnell falsche Rückschlüsse zieht, erklären die FRA-Experten, dass die Zahlen, die sie selber mit großem Aufwand erhoben haben, natürlich täuschen. Zahlen sind nur Zahlen, die müsse man nicht wortwörtlich nehmen, die stünden nämlich in einem Zusammenhang, einem kulturellen!

Demnach vermögen Italienerinnen, Spanierinnen und Griechinnen ihre Erfahrungen von Gewalt nicht frei zu verbalisieren, aus Scham nicht und weil sie sich immer noch einem patriarchal verfügtem Tabu beugen. Da redet frau nicht gerne drüber. Sie sind, der FRA-Interpretation zufolge, eher bereit Gewalt und Rolle als naturgegeben zu akzeptieren. Mit anderen Worten: den Südländerinnen mangelt es erheblich an feministisch-geschultem Opferbewusstsein! Was einem die schönste Statistik verderben kann!

Die Konsquenzen, die die FRA aus ihrem Zahlensalat zieht, ist von einer ganz besonderen logischen Akrobatik: Man fordert europaweit genau die Maßnahmen umzusetzen, die in Skandinavien ja schon weitgehend umgesetzt worden sind, also eben dort, wo die Lage der Frauen der eigenen Studie gemäß am schlechtesten ist. Lest es nach, es ist wirklich wahr.

Ich verstehe das nicht. Ich bin ein einfacher Blogger, der sich am liebsten mit seinen Urzeitkrebsen beschäftigt und der gerne leckere Pasta isst. Ich versteh’s wirklich nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Leute die so grundverschieden Dinge wie eine als unangemessen offensiv empfunde Einladung zu einem Rendezvous und Vergewaltigung unter ein und demselben Begriff (!) subsumieren, wenig Interesse daran haben können, das Problem Gewalt zu erfassen. Ich finde, dass Leute, die entgegen aller emprischen Befunde, Gewalt unbeirrbar als ein geschlechtsspezifisches Phänomen darstellen, wenig Interesse daran haben können. die tatsächlichen Probleme zu lösen. Und schließlich scheint mir, dass die von der  Agentur der Europäischen Union für Grundrechte wahrscheinlich einfach nur einen an der Klatsche haben.

 

PS. Trotzdem bin ich von den Schweden und den Finnen schwer enttäuscht. Vielleicht liegt’s aber auch nur an den langen Wintern dort.