Month: Februar 2014

Der Wolf und unsere Schäfchen

Gestern im Kino: The Wolf Of Wall Street von Scorsese. Unberechenbares, exaltiertes, urkomisches und kluges Entertainment – drei Stunden Spaß. Wie immer, wenn ich mich besonders auf ein Buch oder einen Film freue, ignoriere ich die Rezensionen. Und in diesem Fall mal sowieso. Schließlich geht es um Geld und noch mehr Geld und ganz, ganz viel Geld und um Amerika. Und da hört im deutschen Feuilleton selbstverständlich der Spaß auf.

Ich wage die Prognose: man wird dem Film einen Mangel an Moralbewußtsein und Volkspädagogik vorwerfen. Kunst ist ja nur frei, solange sie nicht gegen die Gesinnungshygiene verstösst. Scorsese erdreistet sich doch tatsächlich das Verführerische als verführerisch darzustellen und das geht mal gar nicht! Titten und Ärsche – fui! – gehören vollverschleiert – wir brauchen den kritischen Diskurs! Die geschmacklose, oberflächliche Lebensart gehört gegeißelt. Drogen darf es im Kino nur geben, wenn es auch Drogenopfer gibt. Und überhaupt gehört Gier angeprangert – sie ist ja etwas inhuman Widernatürliches, ein Produkt von Dekadenz und Depravation.

Darauf wird es hinauslaufen. Wenn nicht, leiste ich beschämt Abbitte und verzehre 48 Stunden kein Fleisch. Und lese einmal „Die Zeit“ von vorne bis hinten. Sogar den Kulturteil.

Liveticker GNTM

Heute ab 20:15 Uhr hier auf Urknall und Dingsbums:

die Höhepunkte von Germany’s next Topmodel im Liveticker !

 

15:37 Uhr: Nur noch 4 Stunden und 38 Minuten! Spannung pur!

+Liveticker entfällt wg. Unpässlichkeit+Halbmast akut bettlägrig+Zustand schlimm, aber nicht hoffnungslos+Nie wieder Kartoffelsalat!+evt. nächste Woche Livevertickerung+Sorry+

 

PS.

Ich habe mir – Unpässlichkeit hin, Unpässlichkeit her – GnTM doch noch angetan. Da mir schon schlecht war, hatte ich ja nur wenig zu verlieren. Das ist irgendwie eine Mischung aus Internatsdrama und höfischer Posse. Mode als Repäsentationsfetisch sine nobilitas.

Makabrer Casting-Gag von RTL: in der Jury sitzt jetzt eine Mumie! Seit der Dr.Best-Zahnpastareklame hatte ich mich nicht mehr so gefürchtet vorm Fernseher. Gar nicht lustig!

Wo ist eigentlich dieser Knuddel-Schwuli geblieben?
Wo der Puder-Pudel?

Und warum trägt dieser pseudo-zauselige Juror immer aufgekrempelte T-Shirts, obwohl er Streichholzärmchen hat?
Und wozu diese ganzen Lockerheits-Fake-Accessoires, wie Käppi und „Sonnenbrille aufm Kopp“?

Lustig: die Mumie spricht (Fernsteuerung? Animation?) „Ich habe ja nicht so dünnes Haar wie du!“ Gemeint war der Pseudo-Zausel, der die kleine Bosheit aber wahrscheinlich nicht mitbekommen hat. Borniertheit hat halt auch ihre guten Seiten.

 

Noch eine moralische Instanz weniger!

Vor Imanuel Kant (Königsberg) empfand ich bislang allerhöchsten Respekt. Von ihm hieß es immer, er sei gewissenhaft, pünktlich, gesellig und ein guter Billardspieler gewesen. Und überhaupt ein korrekter Typ und so. Aber Pustekuchen!

Aus der Kant-Biographie von  Arsenij Gulyga:

„Bei einem Abendessen vergoß einmal ein junger Leutnant in Anwesenheit eines älteren Offiziers Rotwein auf dem Tisch und wollte vor Verlegenheit in den Boden versinken. Magister Kant, der sich mit diesem Offizier gerade über irgendeine Schlacht unterhielt, goß in aller Ruhe aus seinem Glas etwas Wein dazu und begann auf dem Tischtuch mit roten Linien Truppenbewegungen darzustellen.

Ich weiß natürlich nicht, ob das stimmt, was der Russe da schreibt. Aber wenn, dann kann ich nur sagen: HALLO? Geht’s noch? Das ist ja so etwas von No-Go, so dermaßen larissahaft! Das geht mal gar nicht! In Petersburg und Paris verdursten Clochards und der Herr Magister Kant vergießt mutwillig Rotwein im Offiziers-Kasino! Was, wenn das allgemeine Maxime würde?

Man rufe den Vierspänner – mir reicht’s!

24 frames per second

You got to mix it child, You got to fix it, but love it’s a bitch, alright…

Meine Oberschenkel bearbeiten mit unbarmherziger Dynamik die Trittbretter des Crosstrainers. Ich höre laut die Stones und lasse meine Arme dabei ventilierend grooven. Dieser Moment der Leidenschaft wirkt sich ungünstig auf mein Gleichgewicht aus. Oh, Gleichgewicht du flatterhaftes Flittchen!

Der Sturz per se ist wandellos, nicht aber sein Wie und Wo. Während ich also steuerbord vom Crosstrainer stürze, fällt mein Blick auf den Kater, der genau dort hockt, wo ich einzuschlagen drohe und der – anstatt das Weite zu suchen – die Eleganz meiner Bewegungen fasziniert verfolgt. Das ist ein Problem, denn der Kater geht wahrscheinlich tot, wenn ich auf ihn falle. Doch im Augenblick gibt es Wichtigeres.

Denn auch das Smartphone, das an meinem Kopfhörer hängt, hat gegonnen, dramatisch rasant seine Raumkoordinaten zu ändern. Es fliegt durch die Luft und es ist doch erst anderthalb Jahre alt! Ich will mir kein neues kaufen, da habe ich keinen Bock drauf. Meine linke Hand schnappt ungefragt und mambagleich nach dem Smartphone und vermeldet Luftbergung. Nun kann ich mich wieder dem Thema Kater zuwenden.

Der hockt immer noch da, wo er eben schon hockte und macht immer noch keine Anstalten zu flüchten. Mein Frau hört es nicht gerne, aber wenn es einen Katzen-IQ gäbe, dann hätte dieses Tier einen deutlich unter 90. Einen Augenblick überlege ich, ob es nicht für alle das Beste wäre, wenn…

Aber, nein. Mit dem Bein, das noch Kontakt zum Crosstrainer unterhält, stoße ich mich pantherhaft ab, ändere somit geschickt Richtung und Weite meines Fluges. In der Zwischenzeit habe ich mein Smartphone in die Hosentasche gesteckt, so dass ich jetzt mit Hilfe beider Arme mich kopfüber abrollen kann, wobei ich allerdings mit den Fersen an die gegenüber liegende Wand knalle.

Der Kater hat mittlerweile seinen Kopf gedreht und sieht wie sich aus Gründen, die er nicht versteht, das Ölgemälde, dass an besagter Wand hängt vom Haken löst und nun der Schwerkraft folgt. Ein kurzes Wort zu diesem Bild. Es ist ein abgeschmackt farbenfrohes Werk meines eigenen Pinsels, ein Frühwerk, dem man immerhin zugute halten muss, mich davon überzeugt zu haben, nie wieder noch ein Kunstwerk anzufertigen. Außerdem ist der Rahmen  – nun ja, ähm – nicht schön, aber prägnant*. Er erinnert mich immer daran, dass das Leben keine Abfolge von 24 Bildern pro Sekunde, sonder von 24 Rahmen pro Sekunde ist. Egal.

Während das Ölgemälde sich anschickt, mir den Schädel zu zertrümmern, vibriert das Smartphone in meiner Hosentasche. Ich schaue auf das Display und sehe, was ich schon geahnt habe. Es ist ein Kollege. Ich weiß, es ist dringend, die Welt geht unter, vielleicht schon heute, dass braucht er mir nicht extra zu sagen. Weshalb ich das Gespräch wegdrücke und das Ölbild auffange.

Ich fühle mich topfit, katapuliere mich aus dem Sitz in den Stand und verfüge mich in fließender Bewegung wieder auf den Crosstrainer. Bevor ich mir die Kopfhörer aufsetzte, vernehme ich die Stimme meiner Frau aus dem Nebenraum. Sie will wissen, was los ist. Es ist zu kompliziert, ihr das alles zu erklären und sage: Nichts!

 

*besser: pregnant (engl.)

Vorerst wunschlos glücklich

Minutenlang schon stalkt mich eine Frage: Was kann ein Mann eigentlich noch wollen, der schon alles hat?

Ich habe eine große Schüssel voller friedlicher Urzeitkrebse.
Ich habe eine neue Nudelmaschine.
Ich habe eine Frau, die leicht stabsichtig ist.

Was kann ich noch wollen ohne der Maßlosigkeit anheimzufallen? Was kann ich noch willentun ohne moralisch anzuecken?

Noch einen Kapputschino? Wäre das okay?

Mary hat einen Vorschlag

In Anerkennung der sittlichen Reife und der humanistischen Denkungsart meiner Leser, habe ich gestern – ohne großes Tamtam – die Kommentarfunktionen in diesem Blog liberalisiert. Registrierung und E-Mail Angaben sind fortan nicht mehr gefragt – es lebe die Meinungsfreiheit! Wen es juckt, der soll sich kratzen. Welcome!

Doch wie wurden mein Vertrauen und mein patriarchaler Großmut von den Lesern aufgenommen?

Schlecht, denkbar schlecht!

Heute morgen öffne ich frohgemut Urknall und Dingsbums und was sehe ich? Ich sehe einen Kommentar! Einen, von einer gewissen Mary! Und was kriege ich? Ich kriege spornstreichs Resthaar-Elektrizität – mir steht alles zu Berge! Und warum? Deswegen:

„You need targeted visitors for your website so why not get some for free? There is a VERY POWERFUL and POPULAR company out there who now lets you try their website traffic service for 7 days free of charge. I am so glad they opened their traffic system back up to the public! Sign up before it is too late: …“

Dazu nehme ich folgendermaßen Stellung:

Liebe Mary,

darf ich dich zunächst bitten, Beiträge in meinem Blog auf Deutsch zu formulieren? Mein Französisch ist leider ein bisschen eingerostet, weswegen ich Babelfish mit der Übersetzung deines Kommentars beauftragen musste. Herausgekommen ist nun dies:

„Sie müssen gezielt Besucher für Ihre Website , warum also nicht etwas kostenlos zu bekommen ? Es ist ein sehr starkes und beliebtes Unternehmen gibt, die jetzt können Sie ihre Website-Traffic -Service für 7 Tage kostenlos ausprobieren. Ich bin so froh, dass sie ihre Verkehrssystem eröffnet wieder an die Öffentlichkeit! Registrieren , bevor es zu spät ist :…“

Aha. Also gut, liebe Mary, ich versichere dir, dass ich mich über jeden Beitrag hier bei Urknall und Dingsbums  freue. Unter anderen auch deshalb, weil meine sogenannten Freunde, bzw. meine zukünftigen Ex-Freunde meinen Blog eher ignorieren. Schon deshalb ist mir jede Stimme lieb, auch die von einsamen, mir unbekannten Surfern. Allerdings!

Musste es denn gleich ein konstruktiver Vorschlag sein, Mary? Nichts hasse ich so sehr wie konstruktive Vorschläge! Abgesehen von sachlicher Kritik natürlich – die ist noch demütigender! Darf ich dich also höflich ersuchen, deine Beiträge zukünftig einen Tick unsachlicher, weniger wohlwollend und vielleicht  ein bisschen aufbrausender zu formulieren? Damit käme ich deutlich besser zurecht, du Brunzbratze!

Doch nun zum Inhalt deines Kommentars. Nein, Mary, ich will meine Besucher nicht „gezielt“ was auch immer. Und „umsonst“ finde ich auch Scheiße. Und ich will auch nicht „starkes und  beliebtes Unternehmen“ und schon gar nicht will ich „Website-Traffic-Service“ – auch nicht den naturgeilen aus der Ukraine! Noch weniger Wert lege ich auf „Verkehrssystem“ und „eröffnet“ und „Öffentlichkeit“! Das alles will ich nicht.

Nein, Mary, Urknall und Dingsbums ist nicht dafür geschaffen, dass hier irgendetwas optimiert wird. Hier wird nämlich halbabsichtlich und sackentspannt die hohe Kunst des Vermurksens zelebriert.

Nichts für unnütz,
dein Halbmast